Heute möchte ich mir die Zeit nehmen, um über das multisense® Forum 2011 zu berichten, welches am 16. November im Münchner Sofitel Bayerpost stattfand. Mehr als 150 Interessierte lockte der diesjährige Leitkongress an, natürlich auch mich.
Abbildung: Review – 2. multisense® Forum 2011 Teil I (Quelle: creatura2010)
Die Location war wirklich sehr gut ausgewählt. Exklusivität stand an oberster Stelle. Allerdings ging es beim diesjährigen Leitkongress nicht um die Location, sondern natürlich um die aktuellen Erkenntnisse und Forschungen zum Thema „multisensorisches Marketing“, als auch um den Austausch von Erfahrungen und Wissen der Kongressteilnehmer untereinander.
Diese fanden sich ab 9 Uhr nach und nach im Foyer des Sofitel Bayerpost ein, wo sie mit einer exklusiv angefertigten multisense® Tasche nebst individuell angefertigtem Kongressorder ausgestattet wurden. Dieser beinhaltete neben einem Begrüßungsschreiben, auch eine Übersicht über alle Kongressteilnehmer, Referenten und Austeller sowie das Kongressprogramm. Letzteres gliederte sich in drei unterschiedliche Themenblöcke, welche eine große Auswahl an unterschiedlichen Vorträgen bzw. Workshops boten. Da es innerhalb eines Themenblocks immer mehrere Vorträge gab, die zeitgleich gehalten wurden, hatte man die Qual der Wahl, welche der Kombinationen man auswählen sollte.
Ich hatte mich für folgende Vorträge entschieden:.
- Sound Branding der Zukunft (Redner: Jürgen Barthel, Siemens AG Prof. | Carl Frank Westermann, WESOUND)
- Make Sense abroad (Redner: Dr. Oliver Nickel, Icon Added Value)
- Texte zum Anbeißen – “Kino im Kopf” (Redner: Hans Peter Albrecht, hp albrecht werbeagentur | ADC Vorstand)
- Scents of Seduction (Redner: Prof. Dr. Bernd Schubert, Hochschule Harz, Dr. Patrick Hehn, isi – Institut für Sensorikforschung und Innovationsberatung GmbH)
Zwischen den einzelnen Vorträgen hatten die Besucher des 2. Leitkongresses dann noch zusätzlich die Möglichkeit, die begleitende Fachausstellung des multisense® Forums 2011 zu erkunden. Bei dieser präsentierten sich Dienstleister und Agenturen aus den fünf sensorischen Feldern Design, Sound, Olfaktorik, Haptik und Gustatorik.
Hierauf werde ich allerdings in einem weiteren Artikel näher eingehen… Im Mittelpunkt dieses Beitrages sollen meine besuchten Vorträge stehen.
Begrüßung
Um kurz vor zehn wurden alle Teilnehmer des diesjährigen multisense® Forums von Olaf Hartmann des Multisense Instituts begrüßt bevor es dann zur Keynote „The next level“ überging. In seiner Begrüßung versuchte er zu verdeutlichen, dass multisensorisches Marketing nichts „Neues“ ist. Beispielsweise handle ein Winzer, welcher seine Kunden in seinen nach schönen alten Weinfässern riechenden Weinkeller führt, bereits multisensorisch. Der Kunde riecht, sieht und kann bei Bedarf das Produkt sogar kosten, welches er gerne kaufen möchte. Er wird in die Welt des Weines eingeführt und wird über mehrere Sinne angesprochen. Dies ist nicht mit dem Kauf eines Weines im Supermarkt zu vergleichen. Bereits die Verbindung von zwei Sinnen führt zu einer 10-fachen Steigerung der neuronalen Aktivität im Gehirn. Beim zuvor genannten Beispiel des Winzers sei dies gegeben, jedoch sind sich die meisten Winzer dessen gar nicht bewusst. Und genau hier setzt das multisensorische Marketing an. Viele Unternehmen wissen nicht, dass sie evtl. bereits multisensorisch kommunizieren, da ihre Entscheidung für eine bestimmte Unternehmenskommunikation oder Verkaufstechnick aus dem Bauch heraus getroffen wurde. Hartman betonte: „…sowie man nicht nicht kommunizieren kann, so kann man auch nicht nicht multisensorisch sein.“ Beim multisensorischen Marketing liegt daher der Fokus auf der Unterstützung bzw. dem Ergänzen des bisherigen Marketings durch multisensorische Elemente. Marketing sei ein komplexer Prozess. Die Multisensorik gibt Struktur, klare Richtlinien und stellt sich der Frage: „Welches mentale Konzept wollen wir bei unser Zielgruppe ansteuern?“. Laut Hartman sei dies die Zukunft des Marketings.
Keynote
Im Anschluss an die Begrüßung fand dann die Keynote statt, welche von Dr. Christian Scheier (decode Marketing) gehalten wurde. Mit einer Vielzahl von sehr interessanten Beispielen zeigte er auf, dass der Mensch die einzelnen Sinne nicht einfach im Gehirn addiert, sondern dass er sie integriert. Beim multisensorischen Marketing sei daher auch wichtig, dass nicht einfach jeder Sinn wie bei einer Checkliste abgehakt wird, in der Hoffnung so den Umsatz zu verbessern. Um erfolgreiches multisensorisches Marketing zu betreiben, ist ein multisensorisches semantisches Konzept wichtig. Zudem muss es immer zur Motivation bzw. zum Motivationssystem der Zielgruppe passen! Weiterhin komme noch hinzu, dass die subjektive Wahrnehmung und das Unterbewusstsein (= implizite Ebene/der Autopilot) immer das rationale Konzept (= explizite Ebene/der Pilot) schlage. Passend hierzu wurde den Kongressteilnehmern ein Video gezeigt, welches einen Mann in einer Fußgänger-Zone in UK zeigte. Er trug ein großes Schild mit der Aufschrift „ Ask me for 5 £ and it’s yours“. Die meisten Fußgänger gingen jedoch einfach an ihm vorbei. Nur ein kleiner Bruchteil fragte ihn tatsächlich. Aber warum?
Nun, dies sei auf den Autopiloten und somit der impliziten Kommunikation zurückzuführen. Der Autopilot sagt: „Mann mit Schild in einer Fußgänger-Zone? Der muss Geld von MIR wollen.“ Über die Jahre hinweg hat das Gehirn gelernt, solch eine Situation so zu bewerten. Es nimmt sich erst gar nicht die Zeit wirklich zu lesen, was eigentlich auf dem Schild steht. Es wird einfach ohne weiteres Nachdenken in diese Kategorie einsortiert. In diesem Fall hat die Wahrnehmung das rationale Denken überwogen und es wird deutlich, wie viel Einfluss die Wahrnehmung auf unser Handeln hat.
So zeigte Schreier noch weitere Beispiele auf die dies verdeutlichten. Beispielsweise u.a. die Coors Light’s “Cold Activated Bottle”. Sobald das Bier eisgekühlt ist, ändert sich die Farbe der Flasche zu einem schönen eisgekühlt aussehendem Blauton. Der Autopilot nimmt in diesem Fall wahr: „ was frisch und eisgekühlt aussieht, ist auch so!“.
Vortrag: Sound Branding der Zukunft
Im Rahmen dieses Vortrages gaben Jürgen Barthel (Siemens AG) und Prof. Carl Frank Westermann (WESOUND) den Teilnehmenden Einblicke in die auditive Markenentwicklung bei Siemens (Corporate Sound). Sie betonten, dass beim Hören der Grad der Anstrengung sehr wichtig sei. Ist der Grad der Anstrengung nämlich zu hoch, so entstehe beim Hören eines bestimmten Markensounds schnell der Effekt des „genervt seins“. Bei der Entwicklung eines Corporate Sounds komme es weniger darauf an eine „Frontallbeschallung“ zu erzeugen, sondern einen Sound, der interaktiv ist und beim Zuhörer eine Erinnerung im Gehirn aktiviert (= Aktivierung des neuronalen Markennetzwerks).
Doch wie entsteht eigentlich ein auditives Markenbild?
Laut Barthel und Westermann ist es zunächst wichtig, dass ein Unternehmen seine eigene Klangidentität findet, wobei dies auch immer sehr subjektiv geprägt ist. Beim Sound ist es daher schwer eine breite Masse anzusprechen, da jeder Mensch eine andere Soundwahrnehmung hat.
Zum Finden der eigenen Klangidentität wird in der Regel immer mit drei Basis-Elementen gearbeitet:
- Corporate Music
- Corporate Sound (bestehend aus Ground und Figurs)
- Corporate Voice
Abbildung: Basis-Elemente eines Corporate Sounds (Eigene Aufnahme)
Somit kann aus der richtigen Mischung von Corporate Music, Corporate Soundscape (Ground = Klänge mit einer Dauer von 30 – 60 Sekunden, Figures = Klänge mit einer Dauer von 2 – 6 Sekunden) und Corporate Voice eine akustische Signatur kreiert werden. Natürlich ist dies hier alles sehr vereinfacht dargestellt, allerdings bekommt man dennoch eine Idee, wie ein auditives Markenbild entstehen kann.
Vortrag: Make Sense Abroad
Wie wichtig die Kenntnis der sensorischen Codes im internationalen Umfeld ist, wurde den Kongressteilnehmern von Dr. Oliver Nickel (Icon Added Value) aufgezeigt. Den für eine erfolgreiche internationale Markenkommunikation müsse man nicht nur die sensorischen Codes im eigenen Land kennen, sondern auch jene im internationalen Umfeld. Nur so sei ein erfolgreiches und glaubwürdiges Transportieren von Markenwerten, Nutzenversprechen oder Gefühlszuständen möglich, welche sich für die Kommunikation, Gestaltung von Produkten/Verpackungen und den Verkauf nutzen lassen. Je nach Land werden die Sinne unterschiedlich angesprochen, sowie auch je nach Land Wörter mit unterschiedlichen Dingen assoziiert werden. Daher sei laut Nickel eine sogenannte „semiotische Analyse“ unumgänglich.
Abbildung: Semiotische Analyse für eine internationale Kommunikation (Quelle: Eigene Aufnahme)
Mit dieser könne man kulturelle Unterschiede in Bezug auf die sensorischen Codes identifizieren und entsprechende Handlungsempfehlungen für eine internationale Markenkommunikation ableiten.
Die nachfolgenden Beispiele verdeutlichen, warum eine „semiotische Analyse“ essenziell ist.
Abbildung: Chinesen kennen keine Biber (Quelle: Eigene Aufnahme).
Abbildung: Mexikanerinnen stehen nicht auf Meister Proper (Quelle: Eigene Aufnahme).
Abbildung: Unterschiedliche Länder, unterschiedliche Vorstellungen von Käse (Quelle: Eigene Aufnahme)
Abbildung: Unterschiedliche Sinneswahrnehmung von “frische” (Quelle: Eigene Aufnahme)
Vortrag: Texte zum Anbeißen – „Kino im Kopf“
Also ich muss schon sagen: Diesen Vortrag zum Thema „multisensorisches Texten“ fand ich sehr interessant. Hans Peter Albrecht (hp albrecht werbeagentur | ADC Vorstand) hatte es wirklich geschafft, die Kongressteilnehmer in seinen Bann zu ziehen und anhand von zahlreichen Beispielen immer und immer wieder aufzuzeigen, wie aus einem einfachen Text oder einer simplen Erzählung ein echtes Sinneserlebnis werden kann.
Abbildung: Gutes Texten ist immer multisensorisch (Quelle: Multisense Facebook Pinnwand -Fotos)
Dieser Vortrag war wirklich „Kino im Kopf“! Er vermittelte uns, dass gutes Texten immer multisensorisch ist und dass es darum ginge beim Leser oder Zuhörer Emotionen zu berühren.
Vortrag: Scents of Seduction
Im Bereich des multisensorischen Marketings spielt natürlich auch die Wahrnehmung von Düften eine sehr große Rolle, wie uns im Vortrag von Prof. Dr. Bernd Schubert (Hochschule Harz) und Dr. Patrick Hehn (isi – Institut für Sensorikforschung und Innovationsberatung GmbH) gezeigt wurde. Düfte werden überwiegend unbewusst wahrgenommen und können unsere Emotionen beeinflussen und somit auch unsere Wahrnehmung, Beurteilung sowie Erinnerungen färben. Wie ein Duft jedoch beurteilt wird (positiv oder negativ), hänge immer von dem Ereignis ab, in welchem man diesen Duft zum ersten Mal wahrgenommen hat, wobei auch das Visuelle einen starken Einfluss auf die Duftwahrnehmung habe. Dies wurde anhand der nachfolgender Darstellung verdeutlicht, aber auch anhand eines Beispiels aus der Automobilindustrie.
Abbildung: Die Entstehung von Duftpräferenzen (Quelle: Eigene Aufnahme)
Es ging hierbei um den typischen Neuwagenduft, der von den meisten Menschen als sehr angenehm empfunden und positiv bewertet wird. Dieser Duft wurde einer Testgruppe zu Verfügung gestellt, ohne die Angabe dass es sich hierbei um den typischen Duft eines Neuwagens handle. Ergebnis: Nahezu alle Testpersonen haben diesen als sehr unangenehm, chemisch und gesundheitsschädlich empfunden! Aber warum?
Der Grund hierfür liege darin, da die Testpersonen diesen Duft nicht im Kontext mit einem Auto wahrgenommen haben. Nehmen sie diesen Duft in diesem Zusammenhang wahr, so empfinden sie den Duft nun als positiv. Dies hat u.a. mit der Entstehung von Duftpräferenzen zu tun, da dieser typische Neuwagenduft üblicherweise beim Kauf eines Neuwagens wahrgenommen wird (= positiv bewertetes Erlebnis).
Und genau durch dieses Beispiel wurde auch sehr schön aufgezeigt, welchen Einfluss Düfte auf unsere Wahrnehmung und unser Handeln haben können. Durch das Einsetzen dieses Wissens im Bereich des Marketings ist es möglich, positive Gefühle und Emotionen auszulösen und hierdurch eine positiv belegte Assoziation mit einem bestimmten Produkt herzustellen. Es sei laut Schubert und Hehn aber zu berücksichtigen, dass das Belohnungszentrum hierbei auch eine sehr wichtige Rolle spiele. Nicht mit jedem Duft könne automatisch eine bestimmte Assoziation oder Reaktion erzielt werden. Es hänge auch immer noch vom Motiv und der entsprechenden Situation eines Menschen ab.
Beispiel: Es liegt der Duft einer frischgebackenen Pizza in der Luft.
Motiv 1 „Hunger – Lust auf Pizza“: Belohnungszentrum wird aktiviert und somit auch das Haben-Wollen wird im Menschen ausgelöst.
Assoziation: Zurückdenken an die letzte Situation, in welcher eine richtig leckere Pizza gegessen wurde.
Motiv 2 „Kein Hunger“: Belohnungszentrum wird nicht aktiviert und es wird kein Haben-Wollen ausgelöst.
Assoziation: Keine vorhanden oder beispielsweise negative Bewertung des Geruchs aufgrund einer Lebensmittelvergiftung, die beim letzen Pizzaessen aufgetreten ist.
Resümee
Abschließend ist zu sagen, dass der diesjährige Leitkongress aus meiner Sicht eine wirklich sehr interessante und gut gelungene Veranstaltung war. Es wurde eine Vielzahl von unterschiedlichen Einblicken in die Welt der Multisensorik gewährt, sei es bei den Vorträgen, der Fachausstellung oder beim Networking der Kongressteilnehmer untereinander. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass in den nächsten Jahren zunehmend mit multisensorischen Konzepten gearbeitet wird, wobei ich allerdings aber auch der Meinung bin, dass es noch viel Überzeugungsarbeit bedarf, bevor die Multisensorik wirklich als fester Bestandteil des Marketings wahrgenommen wird.
Leider war es mir aufgrund des kürzlich eingeführten Nachflugverbots in Frankfurt nicht möglich, an der Schlussrede sowie an der Abendveranstaltung teilzunehmen. Mein Flug wurde vorverlegt und so musste ich frühzeitig das diesjährige multisense® Forum verlassen. Gerne wäre ich bei diesen zwei Programmpunkten noch anwesend gewesen. Ich bin mir sicher, dass ich noch weitere interessante Erkenntnisse und Erfahrungen hätte sammeln können. Daher würde es mich wirklich sehr freuen, wenn mir der ein oder andere noch kurz etwas zu den verpassten Programmpunkten erzählen könnte.